Abstrakte Skulptur und Malerei von René Mayer

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Über ein halbes Jahrhundert lang arbeitete René Mayer fernab der Öffentlichkeit und schuf zahlreiche Gemälde und Skulpturen, ohne sich um deren Verbreitung zu kümmern. Erst 2023 wurde sein Werk öffentlich bekannt. Es offenbarte sich ein äusserst kohärentes Gesamtwerk, das in Einsamkeit und Strenge entstanden war. Seine abstrakte Skulptur und seine abstrakte Malerei entfalten sich um grundlegende Spannungen herum: Gewicht und Leichtigkeit, Oberfläche und Volumen, Unbeweglichkeit und Energie. Fernab von Doktrinen und Moden entwickelt René Mayer eine Formensprache, in der Bildende Kunst und Bildhauerei mit denselben Mitteln in einen Dialog treten. Seine Werke wollen nicht verführen, sondern einen Raum der Wahrnehmung eröffnen, der dazu einlädt, langsamer zu werden und anders zu sehen.

Ein diskretes Werk – eine anspruchsvolle Präsenz

Fünfzig Jahre lang schuf René Mayer still und leise, ohne Karriereplan und ohne Wunsch nach Anerkennung. Diese Distanz ermöglichte es ihm, ein dichtes und geduldiges Werk aufzubauen, in dem jedes Stück einer inneren Logik folgt. Seine Skulpturen und abstrakten Gemälde sind weder einer Schule zuzuordnen noch theoretisiert: Sie entstehen aus der Geste, aus dem Material, aus der hartnäckigen Suche nach einem Gleichgewicht. Nichts ist anekdotisch oder dekorativ: Jede Leinwand und jede Skulptur drängt sich mit einer unmittelbaren, lebendigen, anspruchsvollen Präsenz auf.

Erforschung einer Formensprache – Wahrnehmung und Spannung

Das Universum von René Mayer funktioniert wie ein Alphabet elementarer Formen: Kreise, Linien, volle oder hohle Volumen. Kombiniert und neu zusammengesetzt bilden sie eine Sprache, in der sich Gewicht und Transparenz, Gleichgewicht und Zerbrechlichkeit gegenüberstehen. Die Hand des Künstlers «erschöpft» die Oberfläche nie, sie offenbart sie. Jede Fläche, jeder Strich oder jeder Schliff bewahrt die Erinnerung an eine Anpassung. Der Betrachter ist eingeladen, diesen Weg nachzuvollziehen: zuerst das Ganze zu erfassen, dann die winzigen Spannungen zu entdecken, die es beleben. So werden Skulptur und abstrakte Malerei zu einem Mittel der Wahrnehmung, zu einer Kunst der Konzentration.

Eine plastische Abstraktion ohne Doktrin

Bei René Mayer ist Abstraktion weder Teil einer Schule noch eines Manifests. Sie entsteht aus einer ständigen Aufmerksamkeit für die Kräfte, die den Raum strukturieren. Die Farben werden getestet, übereinandergelegt und so lange ausbalanciert, bis sie zu vibrieren beginnen. Die Kompositionen wirken einfach, aber sie unterlaufen den dekorativen Effekt durch plötzliche Leerstellen, Symmetriebrüche und subtile Verschiebungen. Alles basiert auf einer kontrollierten Ökonomie: wenige Elemente, aber jedes einzelne voller Spannung. Die abstrakte Skulptur und Malerei wird zu einem Werkzeug des visuellen Denkens, zu einem Mittel, um instabile Gleichgewichte zu erforschen.

Eine abstrakte Skulptur in ständiger Bewegung

Die Skulpturen, insbesondere die Serie «Viva Viva», übertragen diese Spannungen in den Raum. Keine naturalistischen oder symbolischen Bezüge: Die Formen leben nach ihren eigenen Gesetzen. Ihr Gleichgewicht ist prekär, beseelt von einer inneren Energie, die den Eindruck vermittelt, sie könnten kippen oder sich entspannen. Die offen aufgetragene Farbe unterstreicht diese Dynamik, ohne ins Dekorative abzugleiten. Jede Skulptur strahlt eine physische Präsenz aus, die zugleich zerbrechlich und fest ist.

Bei der Serie «Marmor & Granit» überlässt René Mayer die endgültige Umsetzung spezialisierten Werkstätten, die anhand von Tonmodellen arbeiten. Diese monumentalen Werke bewahren die Genauigkeit der ursprünglichen Geste. Der Stein wird zur Verlängerung der Modellierung und fixiert die Schwingung in einem dauerhaften Material. Diese Dimension verdeutlicht die Kontinuität zwischen seiner Skulptur und seiner abstrakten Malerei, in der Hand und Farbe immer zusammenwirken.

Farbe und Volumen – eine produktive Spannung

Bei René Mayer ist Farbe niemals ein Zusatz: Sie konstruiert die Form. In seiner Skulptur und abstrakten Malerei wirkt sie als aktive Kraft, formt den Raum, betont ein Relief, destabilisiert ein Gleichgewicht. Rot, Blau, Grün oder Gelb fungieren als Spannungsvektoren, die die Wahrnehmung des Volumens verändern können. Zeichnung, Material und Farbe gehören zu einem einzigen lebendigen System. Diese Verschmelzung nährt ein abstraktes Werk, das die Disziplinen nicht trennt, sondern miteinander verbindet.

Kunst ohne Anspruch – aber mit Ethik

René Mayer definiert sich in erster Linie als Handwerker, der auf seine Gesten und das Material achtet. Keine Manifeste, keine Slogans: nur Treue zur Langsamkeit, zum Anspruch präziser Arbeit. Sein Engagement ist eher ethischer als diskursiver Natur: Er lehnt Bequemlichkeit ab, akzeptiert Geduld und gibt dem Betrachter einen ehrlichen Raum der Wahrnehmung. Seine Werke, seien es Gemälde oder Skulpturen, zeichnen sich durch dieselbe Strenge aus: keine unnötige Virtuosität, sondern eine Beständigkeit, die Respekt einflösst. So zeichnen sich seine Skulpturen und abstrakten Gemälde durch eine seltene Kohärenz aus, die in Disziplin und Genauigkeit verwurzelt ist.

Die späte Entdeckung eines verborgenen Werkkomplexes

Bis 2023 war sein Werk nur in einem engen Kreis bekannt. Die Ausstellung im Spazio Arte Bubbio, kuratiert von Luca Beatrice, war die erste öffentliche Präsentation eines immensen Werkkomplexes. Diese Enthüllung ist keine Strategie, sondern entspringt einer inneren Notwendigkeit. Das Publikum entdeckt nun die Kohärenz einer ausserhalb des Marktes betriebenen Forschung, die aus ganzen Serien besteht – «Kasten», «Viva Viva», «Marmor & Granit» usw. – und jahrzehntelang unsichtbar geblieben ist. Dieses Herauskommen aus dem Schatten lädt dazu ein, über den Begriff der Sichtbarkeit selbst nachzudenken: Wie kann ein Werk im Verborgenen reifen, bevor es mit einer solchen Dichte auftaucht?

Fazit – Die Kraft einer stillen Genauigkeit

Die Skulpturen und abstrakten Gemälde von René Mayer sind Ausdruck einer geduldigen, von Moden und Zwängen freien Recherche. Sie erforschen die Verbindung zwischen Form, Farbe und Material mit einer seltenen Kohärenz. Jedes Werk, sei es eine Leinwand oder ein Volumen, bietet eine Erfahrung der Langsamkeit und Konzentration. Dieses spät enthüllte Werk zeugt von einer Treue zur Geste, zur Ausgewogenheit und zur Zeit. Seine Kraft liegt nicht im Spektakulären, sondern in der stillen Genauigkeit einer beseelten Abstraktion.